Flächengruppe

In der Gruppentheorie, einem Teilgebiet der Mathematik, werden die Fundamentalgruppen geschlossener, orientierbarer Flächen als Flächengruppen (engl.: surface groups) bezeichnet.

Definition

Sei g 1 {\displaystyle g\geq 1} eine natürliche Zahl und S g {\displaystyle S_{g}} die geschlossene, orientierbare Fläche vom Geschlecht g {\displaystyle g} .

  • '"`UNIQ--postMath-00000004-QINU`"': Torus
    g = 1 {\displaystyle g=1} : Torus
  • '"`UNIQ--postMath-00000005-QINU`"': Doppeltorus
    g = 2 {\displaystyle g=2} : Doppeltorus
  • '"`UNIQ--postMath-00000006-QINU`"' Brezelfläche[1]
    g = 3 {\displaystyle g=3} Brezelfläche[1]

Die Fundamentalgruppen π 1 S g {\displaystyle \pi _{1}S_{g}} werden als Flächengruppen bezeichnet.

Präsentierung

Die Flächengruppe π 1 S g {\displaystyle \pi _{1}S_{g}} hat die Präsentierung

π 1 S g = a 1 , b 1 , , a g , b g Π i = 1 g [ a i , b i ] = 1 {\displaystyle \pi _{1}S_{g}=\langle a_{1},b_{1},\ldots ,a_{g},b_{g}\mid \Pi _{i=1}^{g}\left[a_{i},b_{i}\right]=1\rangle } .

Zum Beispiel ist π 1 S 1 = Z 2 {\displaystyle \pi _{1}S_{1}=\mathbb {Z} ^{2}} .

Hyperbolizität

Mit Ausnahme von π 1 S 1 = Z 2 {\displaystyle \pi _{1}S_{1}=\mathbb {Z} ^{2}} sind alle Flächengruppen hyperbolisch. Max Dehn benutzte hyperbolische Geometrie, um das Wortproblem für Flächengruppen zu lösen.[2] Diese Arbeit gilt als Vorläufer für die in den 1980er Jahren von Gromow entwickelte Theorie der hyperbolischen Gruppen.

Flächengruppen sind – wie alle hyperbolischen Gruppen – automatische Gruppen, ihr Wortproblem lässt sich also in quadratischer Zeit lösen.

Darstellungen (Höhere Teichmüllertheorie)

Die Theorie der Darstellungen von Flächengruppen π 1 S g {\displaystyle \pi _{1}S_{g}} in Lie-Gruppen G {\displaystyle G} wird als Höhere Teichmüller-Theorie bezeichnet. Klassische Teichmüller-Theorie ist der Spezialfall G = P S L ( 2 , R ) {\displaystyle G=PSL(2,\mathbb {R} )} , in diesem Fall vermittelt die Holonomie eine Bijektion zwischen dem Teichmüller-Raum und einer Zusammenhangskomponente von R e p ( π 1 S g , G ) := H o m ( π 1 S g , P S L ( 2 , R ) ) / c o n j . {\displaystyle Rep(\pi _{1}S_{g},G):=Hom(\pi _{1}S_{g},PSL(2,\mathbb {R} ))/conj.} .

Zusammenhangskomponenten der Darstellungsvarietät

Im Folgenden bezeichnet H o m ( π 1 S g , G ) {\displaystyle Hom(\pi _{1}S_{g},G)} die Darstellungsvarietät, deren Zusammenhangskomponenten – für zusammenhängende Lie-Gruppen G {\displaystyle G} – den Zusammenhangskomponenten von R e p ( π 1 S g ) {\displaystyle Rep(\pi _{1}S_{g})} entsprechen.

  • Für kompakte, zusammenhängende Gruppen G {\displaystyle G} entsprechen die Zusammenhangskomponenten der Darstellungsvarietät den Elementen von π 1 G {\displaystyle \pi _{1}G} .[3]
  • Für G = P S L ( 2 , R ) {\displaystyle G=PSL(2,\mathbb {R} )} werden die Zusammenhangskomponenten der Darstellungsvarietät durch die Werte der Euler-Klasse e {\displaystyle e} klassifiziert. Weil nach der Milnor-Wood-Ungleichung die Euler-Klasse genau die ganzzahligen Werte im Intervall [ χ ( S g ) , χ ( S g ) ] {\displaystyle \left[\chi (S_{g}),-\chi (S_{g})\right]} annehmen kann, hat die Darstellungsvarietät 4 g 3 {\displaystyle 4g-3} Zusammenhangskomponenten. Eine Darstellung ist treu mit diskretem Bild genau dann, wenn e ∣= χ ( S g ) {\displaystyle \mid e\mid =\chi (S_{g})} .[4]
  • Für G = S L ( 2 , R ) {\displaystyle G=SL(2,\mathbb {R} )} hat die Darstellungsvarietät 2 2 g + 1 + 2 g 3 {\displaystyle 2^{2g+1}+2g-3} Zusammenhangskomponenten.
  • Für G = P S L ( 2 , C ) {\displaystyle G=PSL(2,\mathbb {C} )} oder G = S O ( 3 ) {\displaystyle G=SO(3)} werden die Zusammenhangskomponenten von R e p ( π 1 S g , G ) {\displaystyle Rep(\pi _{1}S_{g},G)} durch die Werte der zweiten Stiefel-Whitney-Klasse w 2 {\displaystyle w_{2}} klassifiziert, die Darstellungsvarietät hat zwei Zusammenhangskomponenten.
  • Für G = S L ( 2 , C ) {\displaystyle G=SL(2,\mathbb {C} )} oder G = S U ( 2 ) {\displaystyle G=SU(2)} ist die Darstellungsvarietät zusammenhängend.
  • Für G = P S L ( n , R ) {\displaystyle G=PSL(n,\mathbb {R} )} mit n 3 {\displaystyle n\geq 3} hat die Darstellungsvarietät 3 Komponenten, falls n {\displaystyle n} ungerade ist, und 6 Komponenten, falls n {\displaystyle n} gerade ist. Der Beweis benutzt die Theorie der Higgs-Bündel.[5]

Literatur

  • Heiner Zieschang, Elmar Vogt, Hans-Dieter Coldewey: Flächen und ebene diskontinuierliche Gruppen (= Lecture Notes in Mathematics. Bd. 122). Springer, Berlin u. a. 1970.

Einzelnachweise

  1. Fridtjof Toenniessen: Topologie: Ein Lesebuch von den elementaren Grundlagen bis zur Homologie und Kohomologie. Springer Spektrum, 2017, ISBN 978-3-662-54963-6, S. 61. 
  2. Max Dehn: Über unendliche diskontinuierliche Gruppen. In: Mathematische Annalen. Bd. 71, 1912, S. 116–144.
  3. Michael F. Atiyah, Raoul Bott: The Yang-Mills equations over Riemann surfaces. In: Philosophical Transactions of the Royal Society. Series A: Mathematical, Physical and Engineering Sciences. Bd. 305, Nr. 1505, 1983, S. 523–615, doi:10.1098/rsta.1983.0017.
  4. William Mark Goldman : Discontinuous groups and the Euler class. University of California, Berkeley CA 1980 (Thesis (Ph. D. in Mathematics)).
  5. Nigel J. Hitchin: Lie Groups and Teichmüller space. In: Topology. Bd. 31, Nr. 3, 1992, 449–473, doi:10.1016/0040-9383(92)90044-I.