Wumenguan

Das Wumenguan (chinesisch 無門關, Pinyin Wúmén guān, W.-G. Wu-men kuan; 無門關, Mumonkan; dt. etwa Die torlose Schranke) ist eine Sammlung von 48 klassischen Gong-an (Pinyin: gōng'àn, jap.: Kōan), die im 13. Jahrhundert gegen Ende der Südlichen Song-Dynastie von Meister Wumen Huikai (chinesisch 無門慧開, Pinyin Wúmén Huìkāi; jap. Mumon Ekai; 1183–1260) zusammengestellt wurde, einem Mönch aus der Yáng-qí-Linie der Linji zong (chinesisch 臨濟宗, Pinyin Línjì zōng, W.-G. Lin-chi tsung; jap. Rinzai-shū) und Dharma-Nachfolger von Yuelin Shiguan (chinesisch 月林師觀, Pinyin Yuèlín Shīguān, W.-G. Yüeh-lin Shih-kuan; 1143–1217).

Inhalt

Neben mündlichen Überlieferungen bildete wie auch beim Biyan Lu u. a. der „Bericht von der Übertragung der Lampe aus der Regierungsperiode Jing-de“ (景德傳燈錄, Pinyin Jǐngdé Chuándēnglù, jap. Keitoku dentōroku)[1] eine der Quellen. Jedes Gong-an/Kōan ist von Wumen durch einen Kommentar und einen Vers ergänzt. Der erste Druck stammt aus dem Jahr 1229, 1246 erschien eine erweiterte Ausgabe.

Im Namen, übersetzt etwa „Pass ohne Tor“ oder „Torlose Schranke“ ist bereits das Paradoxe eines Gong-an/Kōan enthalten.[2] Möglich sind auch Übersetzungen wie „Die Schranke des Meisters Wumen“ oder solche, die anderweitig der Bedeutung von wu (mu) im Zen Rechnung tragen und helfen können, die „Schranke“ dualistischen Denkens hinter sich zu lassen. Im chinesischen Mahayana-Buddhismus ist der Begriff 無 (wú)[3] oft ein Synonym für 空 (sunyata)[4]. 門 (mén)[5] steht allgemein für eine Tür oder ein Tor, im buddhistischen Sinne wird der Begriff jedoch häufig verwendet, um sich auf einen bestimmten „Aspekt“ bzw. eine bestimmte „Methode“ der Dharma-Lehren zu beziehen, es kann ebenso einen „Prüfpunkt“ meinen. Da „Wumen“ der Spitzname des Zen-Meisters war, den dieser als Mönch nach seiner sechs Jahre dauernden Lösung des „Wu“-Gong-ans erhielt, ist der Titel auch ein Ausdruck seiner „Nicht-Methode“ (im Sinne von „Methode der Leerheit“ oder „keine Methode ist die Dharma-Methode“).

Die Sammlung beginnt mit dem für Wumen Huikai persönlich so bedeutenden Gong-an des Zhaozhou (jap. Joshu), wo dieser auf die Frage „Hat ein Hund die Buddha-Natur?“ mit „Wu“ (Mu) antwortet. Ähnlich bekannt ist Zhaozhous Zypresse im Garten. Aber auch die Dialoge anderer Meister der Tang-Zeit sind im Wumenguan vertreten, darunter Yunmen (jap. Ummon), Huangbo (jap. Obaku) und Nanquan (jap. Nansen)[6].

Während mit dem Niedergang der Südlichen Song-Dynastie der Chan-Buddhismus in China an Bedeutung verlor, wurde durch Wumen Huikais Schüler Shinji Kakushin (1207–1298)[7][8] das Wumenguan/Mumonkan nach Japan gebracht, wo es bis in die Gegenwart als ein Kernstück der Zen-Literatur verwendet und darüber hinaus immer wieder neu kommentiert wird.

Gegenüber dem Biyan Lu, das als ein sprachlicher und philosophischer Höhepunkt der klassischen Zen-Literatur gilt, hob Heinrich Dumoulin das Wumenguan als ein „ein Meisterwerk der Prägnanz“[9] hervor.

Literatur

  • Zen. Der lebendige Buddhismus in Japan. Ausgewählte Stücke der Zen-Texte übers. u. eingel. v. Schuej Ohasama, hrsg. v. August Faust, Geleitwort v. Rudolf Otto. F. A. Perthes, Gotha – Stuttgart 1925. (reprogr. Nachdruck: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1968)
  • Das Wu-Men-Kuan 無 門 關 oder „Der Pass ohne Tor“. Übers. Heinrich Dumoulin. – In: Monumenta Serica Vol. VIII, 1943, S. 41–102.
  • Wu-men Hui-k’ai: Mumonkan. Die Schranke ohne Tor. Meister Wu-men’s Sammlung der 48 Kôan, aus dem Chinesischen übersetzt und erläutert von Heinrich Dumoulin. Matthias Grünewald Verlag, Mainz 1975. (Lizenzausgabe: Angkor Verlag, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-936018-66-0).
  • Two Zen Classics: Mumonkan and Hekiganroku. Translated with commentary by Katsuki Sekida, edited and introduced by A. V. Grimstone. Weatherhill, New York City – Tokyo 1977 (Nachauflagen 1996 u. 2000: ISBN 0-8348-0130-2).
  • Die torlose Schranke – Mumonkan. Zen-Meister Mumons Koan-Sammlung. Neu übertragen und kommentiert von Zen-Meister Kôun Yamada. Ins Deutsche übersetzt von Ludwigis Fabian und Peter Lengsfeld unter Mitwirkung von Migaku Sato, Geleitwort von Hugo M. Enomiya Lassalle. 1. Auflage. Kösel, München 1989, ISBN 3-466-20308-2.
  • Shibayama Zenkei (Hrsg.): Zu den Quellen des Zen. Die berühmten Koans des Meisters Mumon aus dem 13. Jahrhundert. Übers. aus dem Amerikanischen v. Margret Meilwes. Otto Wilhelm Barth Verlag (im Scherz Verlag), Bern u. a. 1976, ISBN 978-3-502-64564-1.
  • Brigitte D’Ortschy: Mumon-Kan - Koan-Sammlung 1-48. Wolkenverlag 2001.
  • Brigitte D’Ortschy: Mumon-Kan - Zen Teisho 1-48. Wolkenverlag 2001–2003.
  • Sabine Hübner: Das torlose Tor. Kristkeitz.

Einzelnachweise

  1. Daoyuan: Records of the Transmission of the Lamp, Vol. 1–8. Translated by Randolph S. Whitfield. Books on Demand, Norderstedt 2015–2020.
  2. Ungünstiger wäre „Das torlose Tor“, weil es nicht dem bewusst aus verschiedenen Zeichen gebildeten Original entspricht.
  3. Vgl. 無 - Wiktionary, the free dictionary
  4. Vgl. 空 - Wiktionary, the free dictionary
  5. Vgl. 門 - Wiktionary, the free dictionary
  6. Nanquan Puyuan (南泉普願; W.-G.: Nan-ch’üan P’u-yüan; Pinyin: Nánquán Pǔyuàn; jap.: Nansen Fugan); geb. 749, gest. 835.
  7. Shinchi Kakushin (心地覚心), auch bekannt als Muhon Kakushin (無本覺心) sowie posthum als Hotto Kokushi (法燈國師) begründete in Japan die Hotto-Linie des Zen.
  8. Robert E. Buswell, Donald S. Lopez: Shinchi Kakushin. In: The Princeton Dictionary of Buddhism. Princeton University Press, 2017, ISBN 978-0-691-15786-3 (oxfordreference.com [abgerufen am 4. Juni 2023]). 
  9. Heinrich Dumoulin: Geschichte des Zen-Buddhismus, Band I: Indien, China und Korea. 2., durchgesehene und erweiterte Auflage. Narr Francke Attempto, Tübingen 2019, ISBN 978-3-7720-8514-7, S. 256.
Normdaten (Werk): GND: 4122418-8 (lobid, OGND, AKS)